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1. Oktober 2019

SAP-Markt: Kaum Berater und tausende Projekte

Der Begriff „Fachkräftemangel“ mag politisch aufgeladen sein. Der Markt für SAP-Berater ist dennoch wie leergefegt – ausgerechnet in einer Zeit, in der zigtausende S/4HANA-Umstellungen anstehen. Pareto-Prinzip, Kooperation von SAP-Beratern und Trainee-Programme sollen helfen.

In den kommenden Jahren stehen zehntausende SAP-S/4HANA-Umstellungsprojekte an. Schließlich wird der Support für alte Systeme eingeschränkt, beziehungsweise läuft aus, was zu wellenartigen Umstiegsbewegungen im Markt führt. „Allerdings stellt sich durchaus die Frage, inwieweit die aus Kapazitätsgründen auch alle wie gewünscht umgesetzt werden können. Denn irgendwann werden die SAP-Berater knapp, das ist jetzt schon abzusehen“, sagt Rainer Wittwen, Consulting Director und Mitglied der Geschäftsleitung beim SAP-Beratungsunternehmen „cbs Corporate Business Solutions“.

Bei den Projekten geht es grundsätzlich um den Umstieg auf die In-Memory-Datenbank und applikationsseitig auf die ¬S/4-HANA-Suite. Einher gehen mitunter Lösungen wie SAP Leonardo, um mit Technologien wie Machine Learning oder IoT neue Erkenntnisse zu gewinnen und Innovation voranzutreiben.

„Vor den anstehenden Umstellungen werden vielerorts in den IT-Abteilungen jetzt Grundsatzfragen diskutiert“, sagt Wittwen und kann das auch nachvollziehen: „Vor dem Hintergrund der R3-Einführungen vor durchschnittlich 15 Jahren, will jetzt keiner Fehler machen, mit denen die Unternehmen dann die kommenden 20 Jahre leben müssen.“

Drei Möglichkeiten

Bestehende Prozesse können neu designed oder neu implementiert werden. Vielerorts wolle man zur Umstellung jetzt alles auf einmal machen und jeder Stein im Unternehmen wird umgedreht. Das Ergebnis: „Die Projekte dauern dadurch sehr lange und in Anbetracht der fehlenden SAP-Berater auf dem Markt und den vielen tausend Projekten, laufen wir, beziehungsweise die gesamte Branche, in echte Engpässe hinein“, beschreibt Wittwen die angespannte Situation im SAP-Umfeld.

Betrachtet man nicht einzelne Prozesse, sondern das komplette, anstehende Projekt, gibt es drei mögliche Herangehensweisen. Erstens: Eine komplette Neuimplementierung – das dauert am längsten und ist am teuersten. Zweitens: Ein technisches Upgrade des Systems, bei dem das bestehende R3-System auf S/4HANA umgestellt wird und kein zusätzlicher Nutzen bei den Prozessen erzeugt wird, oder Drittens: „Und das ist unser Ansatz“, so Wittwen – eine Mischung aus den beiden Ansätzen. Das wäre dann die „Selective Data Transition“, bei dem das Beste aus beiden Welten mitgenommen und die Projekte dadurch nicht zu sehr in die Länge gezogen werden sollen. Die internationale SAP-Umstellung bei Viessmann, dem Heizungshersteller, sei ein gutes, aktuelles Beispiel, für ein erfolgreiches Projekt nach dieser Methode: „Dabei lag der Fokus bei der Neugestaltung auf den wertschöpfenden Prozessen. Die Berater gingen selektiv vor und konzentrierten sich auf diejenigen Strukturen, Prozesse, Standards und Daten, deren Optimierung einen Mehrwert für Viessmann bietet.“

Das Pareto-Prinzip

„Smart-Ansatz“ wird das bei cbs genannt. Wittwen erklärt: „Im Grunde genommen steckt hinter der Philosophie der Pareto-Ansatz, also die 80/20-Regel. Diese besagt, dass sie mit 20 Prozent des Einsatzes häufig 80 Prozent des Nutzens abdecken und je mehr sie darüber hinaus gehen, desto weniger lohnt sich der investierte Aufwand.“ Perfektionisten, die das letzte Promille herausholen wollen, täten sich naturgemäß schwer damit, aber die Herangehensweise sei sehr sinnvoll, nur leider nicht so ohne weiteres umsetzbar. „Denn nur eine Handvoll Unternehmen auf dem Markt haben die entsprechenden Datentransferwerkzeuge, um die Selective Data Transition zu ermöglichen“, begründet der Manager in Sachen SAP-Consulting. Gemeint ist der „cbs ET Enterprise Transformer“ – ein selbstentwickeltes Datentransferwerkzeug, mit dem sich Daten aus unterschiedlichen SAP-ERP-Versionen direkt nach S/4HANA migrieren lassen.

Schulterschluss der SAP-Berater

SAP und die vier Beratungshäuser cbs, Datavard, Natuvion und SNP haben sich zusammengetan, um ein standardisiertes Vorgehen bei den anstehenden Migrationsprojekten zu etablieren. „Es wird in den nächsten Jahren sehr viele SAP-Projekte geben. Unsere Auftragsbücher sind absehbar entsprechend voll, so dass an dieser Stelle kein Konkurrenzdenken vorherrscht, sondern eher das gemeinsame Bestreben, die zahlreichen Industrieprojekte erfolgreich zu stemmen“, beschreibt Rainer Wittwen die Lage.

SAP-Berater ausbilden

Erschwerend hinzu komme noch die Tatsache, dass die Anzahl der SAP-Berater auf dem Markt in den letzten Jahren zurückgegangen ist. „Zum einen, weil die Absolventen vermehrt in andere IT-Bereiche abgewandert sind, zum anderen, weil viele SAP-Berater in die Industrie gewechselt sind“, sagt Wittwen. „Wir haben eigene Trainee-Programme, um an SAP-Nachwuchs zu kommen. So bilden wir jedes Jahr bis zu 50 Berater aus.“ Je nach Vorbildung brauchen die jungen Berater aber ein bis zwei Jahre, bis sie mit entsprechendem Knowhow eigenständig in globalen Projekten tätig werden können.